GST22 BERICHT: Jörg A.

Am 28.06.22 um kurz vor 17:00 Uhr schob ich am 12. Tag der GST mein Rad auf den Strand von Priwall. In den Tagen davor habe ich manches Mal daran gedacht, wie es sein würde anzukommen. Es war nicht so wie gedacht. Beim Blick auf einen Strand mit lauter nackten Menschen (man sieht Dinge, die man nicht sehen will) war ich doch etwas verunsichert. Nach Tagen des Alleinseins wusste ich mit dem Moment zunächst nicht so recht etwas anzufangen. Ich stand also etwas unschlüssig rum, da kam von der Seite ein Mann auf mich zu (angezogen), er schaute mich an, meinte ich sähe aus als ob ich die GST gefahren sei und das Schild nach dem ich suche stünde da drüben. Nach einer kurzen und netten Unterhaltung hat sich dann die Unsicherheit gelöst und ich bin mit meinem Rad über den Strand zum Schild gestapft. In den Sand gesetzt und aufs Meer geschaut. Erstmal Leere. Freude und auch ein wenig Stolz kamen erst am Abend als ich in meinem Zelt auf dem Campingplatz von Travemünde lag. Ich hatte es geschafft. Eigentlich habe ich beim Start nicht daran geglaubt hier durchzukommen. Ich hielt mich selbst für körperlich und mental nicht stark genug. Die ersten Tage waren etwas zäh, ab ca. dem 5. Tag war ich dann aber im Tourenrhythmus. Radfahren – Essen/Trinken – Schlafen. Und sonst nichts. Der emotionale Höhepunkt? Ganz klar der Brocken. Nachdem ich 8 Tage von einem Mittelgebirge ins nächste gefahren bin und immer nur bis zum nächsten Hügel gesehen habe, komme ich auf den Brocken, schaue auf der anderen Seite runter und habe plötzlich Fernblick. War irgendwie befreiend. In dem Moment wusste ich, die Steigungen sind vorbei und vor allem wusste ich, dass ich es schaffen würden. Ich war in dem Moment total sicher, dass ich an der Ostsee ankommen würde. War ein richtig cooles Gefühl auf dem Brocken, ich wollte gar nicht mehr runter. Den Moment werde ich nie vergessen. Und der emotionale Tiefpunkt? 3. Tag, Sonntag, alles zu, superheiß. Ich weiß nicht mehr wie viele Rampen ich an dem Tag mein Rad hochgeschoben habe. Bei knapp 40 Grad und nix Schatten. War ein harter Tag. Irgendwann ist mir das Wasser ausgegangen. Ich wusste jedoch, dass ich bald am Bayernturm sein würde und dort hat es ein Restaurant, wo ich auffüllen konnte. Hungrig, durstig und ohne einen Tropfen Wasser bin ich dort dann am Nachmittag angekommen. Am Eingang das Schild „Heute geschlossen“. Argh! Mann war ich fertig. Was für ein mieser Moment. Nach 5 Minuten Lethargie hat mein Hirn wieder begonnen zu arbeiten. Ich bin zum Hintereingang, habe dort Angestellte angetroffen und habe denen einige Getränke abgeschwatzt. 1,5 Liter Limonade getrunken, Wasserflaschen aufgefüllt, alles an Riegeln rein geschoben was noch da war, die Welt sah wieder besser aus. Später dann noch einen ehemaligen GST-Fahrer getroffen der mich mit einem Bier überraschte und am Abend am Campingplatz Irmelshausen angekommen. Alles wieder gut. In Irmelshausen habe ich dann zum ersten Mal Holger wieder getroffen. Wir sind danach zwar nicht gemeinsam gefahren, da wir aber in den Tagen darauf etwa die gleiche Leistungsstärke hatten, haben wir uns mehrmals täglich getroffen und teilweise am gleichen Ort übernachten. Es war schön und hat irgendwie auch geholfen immer wieder einen Schicksalsgefährten getroffen zu haben.

Was die Faszination der GST ausmacht? Ich kann es gar nicht so genau sagen. Während der Tour habe ich mir mehrfach geschworen, nie mehr mein Rad eine dieser Rampen hoch zu schieben (durch Dornen und Brennnesseln zu schieben, mich von Schnaken und Bremsen in Massen stechen zu lassen, mich von einer Herde Rinder über die Weide jagen zu lassen, das bepackte Rad über umgestürzte Bäume zu heben – ihr könnt euch etwas aussuchen). Jetzt 2 Wochen später denke ich mir, war ne super Tour, warum nicht noch mal. Abgesehen von oben erwähntem, bleiben doch vor allem positive, teilweise auch zum nachdenken anregende Gefühle und Eindrücke von der GST hängen. Ich habe in vielerlei Hinsicht 12 intensive Tage erlebt. Ja, ich habe 12 Tage sehr intensiv gelebt. Möglicherweise sieht man mich auf der Platte daher doch noch mal wieder.

Zukünftigen GST-Fahrer/Innen möchte ich nur einen Tipp geben (und der ist auch nicht gerade neu): fahrt Tubeless! Ich hatte in den letzten 3 Jahren keinen Platten mehr, auch nicht bei meinen 500 km der GST 20. Ich sah daher keine Veranlassung auf Tubeless umzustellen. Bei der GST 22 hatte ich verdammte 8 Plattfüße. Den ersten bereits nach 20 km und den letzten 50 km vor dem Ziel. So ein Platten kommt immer ungelegen. 8 Platten sind Sch… .

Am Tag nach der GST kam dann die brutale Rückkehr ins reale Leben. Eine 16,5 stündige Rückfahrt mit den Nahverkehrszügen der DB von Lübeck an meinen Wohnort am Hochrhein. Was für eine Odyssee. Nach 12 Tagen Einsamkeit saß ich mit einer Maske im Gesicht einen Tag lang in überfüllten Zügen. Die Welt kam mir echt irre vor. So fertig wie an dem Tag war ich an keinem Tag der GST.

Ich möchte mich bei der GST und den Scouts für die unentgeltliche Arbeit bedanken, die ihr in diese Tour steckt. Herzlichen Dank auch an Markus und den Kleintierzüchterverein für die Betreuung vor dem Start. Herzlichen Dank auch an die Unterstützer/Innen für den Trail Magic, ich kam 4 mal in den Genuss, jedes Mal zum genau richtigen Zeitpunkt.

Kein Stress und passt auf euch auf.

Jörg

Leave A Comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.